Redebeitrag des Antifaschistischen Berliner Bündnisses gegen den Al Quds-Tag, gehalten auf der Kundgebung gegen den „Marsch für das Leben“.
Wir demonstrieren hier gegen den religiösen Fundamentalismus von christlichen Fanatiker_innen, die heute mit ihrem sogenannten “Marsch für das Leben“ durch die Mitte Berlins ziehen wollen.
Erst vor einem Monat demonstrierten wir in Berlin gegen einen Aufmarsch von islamistischen Fanatiker_innen. Anlass war der sogenannte Al Quds-Tag, dem Kampftag des klerikal-faschistischen iranischen Regimes, an dem es mit weltweiten antisemitischen Aufmärschen die Zerstörung Israels fordert.
Die Teilnehmer_innen dieses islamistischen Aufmarsches trugen aber nicht nur ihren Antisemitismus auf die Straße, sondern auch ihr frauen- und homosexuellen-verachtendes Weltbild zur Schau. Sie marschierten in tiefer Solidarität und Treue für ein menschenverachtendes Regime auf, dass die Verfolgung von Frauen und Homosexuellen, aber auch von religiösen Minderheiten und politischen Oppositionellen immer weiter verschärft.
In der Islamischen Republik Iran gilt Homosexualität, neben der Abkehr vom Glauben, als schwerstes zu begehendes Verbrechen. Schon allein das Küssen zwischen zwei Menschen des gleichen biologischen Geschlechts kann mit sechzig Peitschenhieben bestraft werden. Auf Geschlechtsverkehr droht die Todesstrafe, die durch öffentliches Hinrichten vollstreckt wird. Die Exekutions-Art obliegt dem Scharia-Richter. In der Vergangenheit wurden schon des Öfteren Menschen aufgrund dieser Richtlinien zum Tode verurteilt, weil sie lediglich diffamiert wurden.
Homosexualität ist offiziell ein Tabuthema, so behauptet Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad “es gebe keine Homosexuellen im Iran“. Es handelt sich nach Ansicht der Kleriker um “unislamisches Verhalten“, das der göttlichen Ordnung zuwiderläuft. Homosexuelle sind im Iran, aber auch in anderen Staaten der Region, jeden Tag mit dem Tod bedroht. Die Queer Community lebt unter ständiger Gefahr im Untergrund.
Diese Welle der Gewalt nimmt kontinuierlich zu – selbst Teenager sind der homophoben Verfolgung ausgesetzt. So versuchen immer mehr Homosexuelle aus dem Iran zu fliehen. Sie wollen ihr Leben retten, ihre Angehörigen schützen und ihre Sexualität frei ausleben dürfen. Einige dieser Menschen versuchen immer wieder ihr Glück in Deutschland, doch sie sind dort nicht erwünscht. Es ist gegenwärtig so gut wie unmöglich Asyl aufgrund von sexueller Verfolgung gewährt zubekommen.
Die Entscheidungen der deutschen Legislative, Exekutive und Judikative über Asylanträge von verfolgten iranischen Homosexuellen fielen in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade positiv für die Betroffenen aus. Ein aktuelles Beispiel ist der Fall einer 24jährigen Iranerin, die nach Deutschland floh, nachdem sie auf einer schwul-lesbischen Party in Teheran war, die von der paramilitärischen Basidsch-Miliz gestürmt wurde. Bis heute ist nicht klar, was mit einigen der Gäste geschehen ist. Der Asylantrag der Iranerin, die Hals über Kopf nach Deutschland geflohenen ist, wurde abgelehnt. Schon im Vorfeld hat das zuständige Gericht in Bayreuth die Verfolgungsgeschichte der Iranerin angezweifelt. Der Richter, der ihren Antrag auf politisches Asyl ablehnte, gab nach der Entscheidung folgende Begründung ab: Wenn sie sich im Iran unauffällig verhielte, könne sie wie andere Homosexuelle wunderbar leben. Er könne ihren Freiheitsdrang verstehen, aber dies sei kein Asylgrund.
Politischen Asylbewerber_innen wird damit mitgeteilt, dass sie sich gefälligst an das jeweilige menschenverachtende System ihres Herkunftslandes anzupassen haben und im Untergrund leben sollen.
Es ist bezeichnend, dass Deutschland Iraner_innen aufgrund von Verfolgung das Recht auf Asyl abspricht, obwohl es genau Deutschland ist, dass dieses menschenverachtende Regime noch immer mit am Leben erhält und mit seiner Unterstützung für die Islamische Republik jegliche Bemühungen der iranischen Freiheitsbewegung nach einem Regime-Change im Keim erstickt. Es waren viele Menschen, die 2009 im Iran auf die Straße gingen und das Ende dieser Diktatur forderten. Das Regime wankte und es wankt heute auch noch immer.
Die Freiheitsbewegung ist vor drei Jahren gescheitert und sie würde zum gegenwärtigen Zeitpunkt wahrscheinlich wieder scheitern, weil der Klerikal-Faschismus von Ali Hosseini Khamenei, Mahmoud Ahmadinejad & Co von außen künstlich am Leben erhalten wird. Deutschland nimmt dabei eine besondere Rolle ein, indem es das Regime nicht nur massenhaft mit Waffen versorgt, sondern auch fast die gesamte Überwachungstechnik liefert, mit der im Iran Telefone abgehört, Computer ausgespäht und Wohnungen verwanzt werden. Die Zentrifugen, die im Iran für das militärische Atomwaffenprogramm benötigt werden, wurden [Überraschung!] auch aus Deutschland geliefert. Diese kontinuierliche deutsche Versorgung stärkt das iranische Regime und macht das Leben für einen großen Teil der iranischen Bevölkerung immer unerträglicher.
Die massive Zunahme von Repression merken gegenwärtig vor allem die Frauen im Iran. Sie sind seit der Islamischen Revolution systematisch sexueller Gewalt ausgeliefert. Vergewaltigungen sind nicht nur an der Tagesordnung, sondern haben auch des Öfteren noch ein Nachspiel für die Betroffenen. Das Wort eines Mannes zählt mehr als das einer Frau. Für iranische Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt wurden, ist es oftmals fast unmöglich die Täter dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Obwohl sie Opfer eines Verbrechens wurden, kann ihnen das als strafbare Handlung ausgelegt werden – das wird dann mit “vorehelichem“ oder “außerehelichem Geschlechtsverkehr“ begründet. Im schlimmsten Fall werden Frauen dafür, dass sie vergewaltigt wurden, zu Tode gesteinigt.
Wie noch mehr Vergewaltigungen offiziell legitimiert werden können, zeigt das aktuelle Vorgehen des Rechtsausschusses des iranischen Parlamentes. Dieser kündigte gerade erst an, das heiratsfähige Alter von Mädchen herabzusenken. Anstatt bisher mit 13, sollen Mädchen jetzt schon mit 9 Jahren zwangsverheiratet werden dürfen. Mädchen waren schon vorher ab 9 Jahren strafmündig, Jungen sind es erst ab 15. Frauen und Mädchen trifft die ganze Härte der zutiefst frauenfeindlichen Gesetze der Fundamentalisten. Ein weiteres Beispiel ist der Zwang zum Tragen des Tschadors. Auch diesbezüglich will das klerikal-faschistische Regime härter durchgreifen. Denn viele Frauen zeigen unter dem Tschador ihren Haaransatz, was den Klerikern ein Dorn im Auge ist.
Die Basidsch-Miliz soll dafür aufgestockt werden, um auf der Straße auf die korrekte Verschleierung zu achten und um gegen Frauen vorzugehen, die sich nicht daran halten.
Die Teheraner Polizei meldete beispielsweise, dass sie im Mai dieses Jahres über 80 kleine Lebensmittelläden geschlossen hat, da dort die islamische Kleidervorschrift für Frauen nicht sorgfältig befolgt worden sei.
Und das staatliche islamistische Vorgehen gegen Frauen im Iran geht noch weiter: Gerade erst wurden an den iranischen Universitäten 77 Studienfächer für Frauen gesperrt, diese dürfen sie nicht mehr studieren. Und es sollen in der kommenden Zeit noch weitere folgen. Selbst in den Studiengängen, die Frauen noch studieren dürfen, sollen die Plätze für sie massiv begrenzt werden.
Es gibt aber trotz der massiven Verfolgung auch Widerstand im Iran. Eine Initiative von iranischen Frauenrechtlerinnen hat im Internet schon 26.000 Unterstützer_innen gefunden. Ihr erklärtes Ziel ist das Ende des Schleierzwangs.
Ganz praktischen Widerstand leistete eine junge Iranerin vergangene Woche in der nordiranischen Stadt Shamirzad. Ein staatlicher “Sittenwächter” stoppte die Frau auf der Straße und forderte sie auf ihr Haar richtig zu bedecken. Statt aber den Tschador sittenkonform anzulegen, begann die Iranerin sich lautstark zu wehren und stieß den Kleriker zu Boden. Er durfte daraufhin die nächsten drei Tage im Krankenhaus verbringen.
Wir beglückwünschen diese junge Frau für ihren Mut und wünschen ihr, dass sie niemals von der Basidsch-Miliz aufgespürt wird.
Wir verurteilen jede Form von religiösem Fundamentalismus, egal ob die Ideologie dahinter (wie im Beitrag beschrieben) eine islamistische ist oder wie heute hier einen christlichen Background hat. Alle Menschen haben das Recht selbst über ihre Sexualität, über ihren Körper und über ihren Geist zu entscheiden. Wir bekämpfen den Versuch regressiver Kräfte, Menschen deren Recht auf ein selbstbestimmtes Leben abzusprechen.
Wir fordern:
=> Freiheit für alle in den iranischen Folter- und Todestrakten einsitzenden Gefangenen, die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Sexualität inhaftiert wurden!
=> Religiösem Fundamentalismus entschlossen entgegentreten!
=> Nieder mit dem menschenverachtenden klerikal-faschistischen Regime! Nieder mit der Islamischen Republik! Jetzt und sofort!
=> Freiheit für die Menschen im Iran!
Redebeitrag des Antifaschistischen Berliner Bündnisses gegen den Al Quds-Tag