ANTISEMITISCHE TRADITIONEN ZUM ENDE DES RAMADANS

Der Aufmarsch zum „Al Quds-Tag“ ist die größte regelmäßig stattfindende antisemitische Manifestation in Berlin. Seit 1996 wird sie jährlich von islamistischen Gruppen organisiert. Als Anmelder fungieren Mitglieder der hisbollahnahen „Unabhängigen Al Quds-AG“. Die Zahl der Teilnehmer_innen bewegte sich zuletzt zwischen 300 und 600 Personen. Der Aufzug ist dabei stets hierarchisch durchorganisiert und in Blöcke unterteilt; separiert sind diese nach den herrschenden Geschlechterkategorien. Frauen haben sich in aller Regel hinten einzuordnen. Individualität wird nicht geduldet, die Versammelten sollen als Kollektiv wahrgenommen werden. Für eine besonders aggressive Stimmung sorgen mit egaphonen ausgerüstete Anheizer, die über den Aufzug verteilt die Teilnehmer_innen zum Einstimmen in vorgegebene Hass- und Gewaltparolen animieren.

Der Aufmarsch zum „Al Quds-Tag“ ist aber nicht nur attraktiv für Anhänger_innen des politischen Islams. Die hier artikulierten Verschwörungstheorien und die hasserfüllte Feindschaft gegenüber Israel, den „Juden unter den Staaten“, bewegen auch antizionistische Linke, Nazis und andere Feinde der Emanzipation zur Teilnahme. In den vergangenen Jahren ereignete sich, dass Mitglieder einer jüdisch-orthodoxen Sekte durch die Veranstalter des „Al Quds-Marsches“ eingeladen wurden, die den Staat Israel ablehnen und dies religiös zu erklären versuchen. Die Organisatoren versuchen durch Instrumentalisierung dieser Leute als sogenannte „Alibi-Juden“ zu zeigen, dass auch jüdische Menschen den Staat Israel abschaffen wollen, mit dem Ziel, den auf dem Aufmarsch gehegten Vernichtungswillen gegenüber Israel zusätzlich zu befeuern.

Der Berliner Aufmarsch ist einer der vielen weltweiten Ableger der staatlich organisierten “Al Quds-Tags-Demonstrationen“ im Iran. Seit 1979 gehen in der Islamischen Republik immer am letzten Freitag des Ramadan hunderttausende Menschen für die Vernichtung des jüdischen Staates Israel auf die Straße. “Al Quds“, auf Arabisch Jerusalem, wird für den politischen Kampf gegen Israel instrumentalisiert und soll von Jüdinnen und Juden “befreit“ werden.

Doch nicht nur in Teheran und anderen internationalen Großstädten wehen zu diesem Anlass Fahnen von antisemitischen Terrororganisationen wie Hamas sowie Hisbollah und sind Bilder ihrer Anführer zu sehen, derartiges ist auch bei der Berliner Veranstaltung gegenwärtig. Zum Standardprogramm der auf den “Al Quds-Tags-Märschen“ verbreiteten antizionistischen Propaganda zählt einerseits die Leugnung der Shoa, andererseits wird behauptet, dass es einen “Holocaust Israels an den Palästinensern“ gäbe und relativiert damit das singuläre Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten an den Jüdinnen und Juden. Zudem wird Israel in der Tradition Jahrhunderte alten antisemitischen Denkens für alles Übel in der Welt verantwortlich gemacht.

Mehrmals ist es in der Vergangenheit seitens der Organisatoren des Berliner Marsches zur “Distanzierung“ von Antisemitismus gekommen. Dass dieses Gebaren aber nicht glaubhaft ist, sondern eine bewusste Umdeutung des Begriffes und eine versuchte Täuschung der Öffentlichkeit darstellt, liegt auf der Hand. Zum einen wird versucht, jede strafrechtlich relevante Äußerung abzuschwächen, um einem versammlungsrechtlichem Verbot des Aufmarsches aus dem Weg zu gehen. Zum anderen behaupten die Veranstalter, dass Antisemitismus auch gegen sie gerichtet sei oder erst gar nicht existiere. Des weiteren wird der Begriff Antisemitismus auch durch die Shoa als negativ vorbelastet gesehen und weil man ihn gesellschaftlich eher dem Nazi-Spektrum zuordnet, wird er als ungeeignet betrachtet.

» Antifaschistisches Berliner Bündnis gegen den Al Quds-Tag, Juli 2011