Kein Al Quds-Tag! Statement zu der Absage 2021

In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die Anmeldung für den diesjährigen Al Quds-Marsch am 8. Mai 2021 durch Berlin-Charlottenburg zurückgezogen wurde. Wir als das Antifaschistische Berliner Bündnis gegen den Al Quds-Tag haben uns daher dazu entschlossen, nicht weiter zu unseren Protesten gegen den antisemitischen Aufmarsch zu mobilisieren. Stattdessen werden wir euch in den folgenden Tagen über weitere (Gedenk-)Veranstaltungen und Proteste gegen Antisemitismus informieren, die ebenfalls am 8. Mai stattfinden werden und euch auch weiterhin die lesenswerten Beiträge in unserer kürzlich erschienenen Broschüre vorstellen [1].

Gleichzeitig wollen wir die Umstände dieser Absage aus unserer antifaschistischen Perspektive jedoch nicht unkommentiert lassen. Die Akteur:innen des Quds-Marsches folgen in ihrem Handeln offensichtlich vor allem dem islamistischen Regime im Iran, das alle Veranstaltungen zum diesjährigen Quds-Tag ebenfalls vor kurzem mit Verweis auf die Corona-Pandemie abgesagt hatte. Infolge dessen werden sich auch die Veranstaltenden des Berliner Marsches als vermeintlich besonders verantwortungsbewusst präsentieren können [2] und ihre antisemitischen, islamistischen und antifeministischen Botschaften in den sozialen Medien und den Moscheen des iranischen Regimes verbreiten können. Währenddessen werden vor allem aus der deutschen Politik wieder Stimmen laut, die es begrüßen, dass „Berlin dieses Mal politischem Schaden entgangen“ sei und die weiterhin vor allem ein Verbot des jährlichen Aufmarsches fordern.

Ein nun in Berlin nicht stattfindender Aufmarsch ist für unser Bündnis dabei zunächst einmal ebenfalls zu begrüßen. Die Motivationen, aus denen sich nun besonders über die diesjährige Absage gefreut werden, sind, wie auch im Bezug auf die nun weiterhin sowohl durch die Politik als auch durch die Zivilgesellschaft geführte Debatte über zukünftige Verbote, jedoch vielfältig [3].
Gründe, um die momentane Absage oder im Ergebnis ein Verbot des Quds-Marsches gutzuheißen, liegen auf der Hand: weniger offener Antisemitismus auf den Straßen Berlins – zumindest an diesem Tag. Während der Quds-Demonstration müssen sich Jüdinnen:Juden und auch israelsolidarische Linke vor Angriffen schützen. Findet der Marsch nicht statt, werden zumindest die antisemitischen Angriffe, die regelmäßig seinem Kontext geschehen, ausbleiben. Das sind gute Aussichten, die die Berliner Straßen für die Betroffenen antisemitischer Gewalt zumindest temporärer sicherer machen. Gerade aus der Perspektive Betroffener wäre ein Verbot mehr als ein symbolischer Akt, denn es geht im Zweifel um ihre körperliche Unversehrtheit und die Möglichkeit, sich ohne Angst auf den Straßen bewegen zu können.

Weder die aktuelle Absage, noch ein Verbot des Quds-Marsches werden die antisemitische und sonstige Gefahr, die vom iranischen Regime ausgeht, die Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel, die Unterdrückung von Frauen und LGBTIQ-Personen und die Verfolgung von oppositionellen und emanzipatorischen Kräften im Iran und im Ausland beenden. Durch ein Verbot würde zudem nicht nur die Debatte und damit die kritische Auseinandersetzung mit dem Quds-Marsch und seinen Akteur:innen aus der Öffentlichkeit gedrängt. 

Ein mögliches Verbot des Quds-Marsches wird als Leistung der wehrhaften deutschen Demokratie verkauft, deren Mythos damit fortgetragen wird. Doch abermals macht sich hier deutlich, dass die bürgerliche Gesellschaft nicht das Bollwerk gegen Antisemitismus ist, sondern dessen Voraussetzung. Mit einem Verbot des Quds-Marsches würde sich die Stadt Berlin als Akteurin gegen Antisemitismus präsentieren können. Doch gleicht diese Verbotsdebatte einem Placebo, der die tatsächlichen Ressourcen im Kampf gegen den allseits verbreiteten Antisemitismus gering hält. In der näheren Betrachtung wird jedoch deutlich, wie oberflächlich dieser Akt ist. Antisemitismus als eine Welterklärungsstrategie ist omnipräsent in Deutschland. 

An diesen Zuständen ändert auch die jetzige Absage des Al Quds-Marsches am 8. Mai nichts. Emanzipatorische Perspektiven sehen wir tagtäglich in einem breit angelegten, radikalen Antifaschismus. Einem Antifaschismus der nicht staatstragend auf  Verbote und Absagen verlässt oder als Handlungsgehilfe des Staates agiert, sondern im Gegenteil: Antifaschismus heißt selbstorganisiertes, unabhängiges, politisches Handeln gegen Antisemitismus.

Weil wir als Antifaschist:innen protestieren, wenn Antisemit:innen ihre Hetze verbreiten!
Und weil wir als Feminist:innen nicht schweigen wollen, wenn Frauen und LGBTIQ-Personen unterdrückt werden!
Solidarität mit den emanzipatorischen Kämpfen im Iran!
Solidarität mit Israel! 

[1] Die Broschüre findet ihr in digitaler Form auf unserer Homepage unter: https://keinalqudstag.noblogs.org/post/2021/04/27/broschuere-2021/
[2] Zu dem tatsächlich katastrophalen und instrumentellen Umgang des iranischen Regimes empfehlen wir in unserer Broschüre den Beitrag „Jinn und andere Dämonen
– Der Coronadiskurs im Iran“ von Pascal Beck.
[3] Ausführlicher beschäftigt sich die Autonome Neuköllner Antifa in ihrem Broschüre-Beitrag „Antifa statt Verbote! Warum Appelle an den deutschen Staat den Kampf gegen Antisemitismus nicht voranbringen“ mit einer antifaschistischen Perspektive auf die Verbotsdebatten um den Al Quds-Tag.