Antisemitische Tradition des Al Quds-Tags in Berlin 2013

Redebeitrag des Antifaschistischen Berliner Bündnisses gegen den Al Quds-Tag zur antisemitischen Tradition des Al Quds-Tags in Berlin:

Der Aufmarsch zum „Al Quds-Tag“ ist die größte regelmäßig stattfindende antisemitische Manifestation in Berlin. Seit 1996 wird sie jährlich von islamistischen Gruppen organisiert. Als Anmelder fungieren Mitglieder der Hisbollah-nahen „Unabhängigen Al Quds-AG“. Die Zahl der
Teilnehmer_innen schwankte immer wieder in den letzten Jahren – mal waren es nur wenige hundert, mal waren es bis zu 2000 Personen. Der Aufzug ist dabei stets hierarchisch durchorganisiert und in Blöcke unterteilt – einige dieser Blöcke sind separiert nach den herrschenden Geschlechterkategorien. Frauen haben sich dort in aller Regel hinten einzuordnen. Individualität wird nicht geduldet, die Versammelten sollen als Kollektiv wahrgenommen werden. Für eine besonders aggressive Stimmung sorgen mit Megaphonen ausgerüstete Anheizer, die über den Aufzug verteilt die Teilnehmer_innen zum Einstimmen in vorgegebene Hass- und Gewaltparolen animieren.

Der Berliner Aufmarsch ist einer der vielen weltweiten Ableger der staatlich organisierten „Al Quds-Tags-Märsche“ im Iran. Seit 1979 gehen in der Islamischen Republik immer am letzten Freitag des Ramadan hunderttausende Menschen für die Vernichtung des jüdischen Staates Israel auf die Straße. „Al Quds“, auf Arabisch Jerusalem, wird für den politischen Kampf gegen Israel instrumentalisiert und soll von Jüdinnen und Juden „befreit“ werden.
Doch nicht nur in Teheran und anderen internationalen Großstädten wehen zu diesem Anlass Fahnen von antisemitischen Terrororganisationen, wie Hamas sowie Hisbollah und sind Bilder ihrer Anführer zu sehen, derartige Banner und Porträts sind auch bei der Berliner Veranstaltung gegenwärtig.
Zum Standardprogramm der auf den „Al Quds-Tags-Aufmärschen“ verbreiteten antizionistischen Propaganda zählt die Behauptung, dass es einen „Holocaust Israels an den Palästinensern“ gäbe. Damit wird das singuläre Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten an den Jüdinnen und Juden relativiert. Zudem wird Israel in der Tradition Jahrhunderte alten antisemitischen Denkens für alles Übel in der Welt verantwortlich gemacht.

Mehrmals ist es in der Vergangenheit, seitens der Organisatoren des Marsches, zur „Distanzierung“ von Antisemitismus gekommen. Dass dieses Gebaren aber nicht glaubhaft ist, sondern eine bewusste Umdeutung des Begriffes und eine versuchte Täuschung der Öffentlichkeit darstellt, liegt auf der Hand.
Für den antisemitischen Aufmarsch zum Al Quds-Tag in Berlin lassen die Organisatoren in diesem Zusammenhang jedes Jahr auch eine Hand voll Mitglieder der jüdischen Minisekte Neturei Karta aus Großbritannien einfliegen. Diese Sekte lehnt laut eigener Aussage den Staat Israel aus religiösen Gründen ab. Die am Al Quds-Tag artikulierten Verschwörungstheorien und die hasserfüllte Feindschaft gegenüber Israel, den „Juden unter den Staaten“, bewegen also nicht nur antizionistische Linke, Nazis und Anhänger_innen des politischen Islams zur Teilnahme.

Die Anhänger von Neturei Karta erfüllen eine Art Alibifunktion: Es soll gezeigt werden, dass selbst „Juden“ die Ziele des Al Quds-Tags unterstützen. Eine Distanzierung von Antisemitismus ist das jedoch nicht. Stattdessen wird Neturei Karta für rein taktische Überlegungen genutzt: Zum einen wird versucht, strafrechtlich relevante antisemitische Äußerungen abzuschwächen, um einem versammlungsrechtlichem Verbot des Aufmarsches aus dem Weg zu gehen. Zum anderen behaupten die Veranstalter, dass Antisemitismus auch gegen sie gerichtet sei und auf ihrer Demonstration nicht existiere.

Die Einbindung von Mitgliedern von Neturei Karta sagt viel über die Auffassung von Antisemitismus aus, die die Organisatoren des Al Quds-Tags-Marsches haben. Antisemitismus wird auf „Judenfeindschaft“ reduziert, blendet jedoch andere Erscheinungsformen wie etwa die Verharmlosung oder Leugnung der Shoa oder das Abstreiten von Israels Existenzrecht aus. Und selbst dieser Definition von Antisemitismus wird die Minisekte Neturei Karta nicht gerecht: Die bekanntesten Aktivitäten von Neturei Karta des letzten Jahres in Israel waren das Bespucken und das gewaltsame Attackieren von jüdischen Mädchen und Frauen, weil diese angeblich “unzüchtig“ gekleidet waren.

Weltweit für Entsetzen sorgte im letzten Jahr die Schändung der nationalen israelischen Shoa-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Dort sprühten Aktivisten von Neturei Karta antisemitische Parolen: So dankten sie beispielsweise Adolf Hitler für die Vernichtung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden. Vor diesem Hintergrund klingt es nicht mehr überraschend, dass Mitglieder von Neturei Karta willkommene Gäste auf dem Al Quds-Tags-Aufmarsch in Berlin sind und dort in der ersten Reihe mitmarschieren.
Dass deren Ansichten nicht immer schlüssig sind, zeigt in diesem Zusammenhang das außerordentliche Interesse von Mitgliedern von Neturei Karta an der internationalen Konferenz zur Leugnung der Shoa im Jahr 2006 in Teheran, die vom iranischen Regime organisiert wurde. Dort gehörten sie zusammen mit Mitgliedern der deutschen NPD und der österreichischen FPÖ zu den Besuchern. Ihre dortige Teilnahme war für Neturei Karta selbstverständlich.
Und das die Verbundenheit zum iranischen Regime nicht abbricht, zeigt ein aktueller Fall aus Israel: Hier wurde gerade erst ein Mitglied von Neturei Karta bei der Spionage für den Iran erwischt.