Pinkwashing und Antisemitismus
von: Emanzipative Antifaschistische Gruppe
Nicht nur beim Quds-Marsch finden Freund_innen der befreiten Gesellschaft Grund zur Empörung. Auch in der Queerszene lässt sich seit wenigen Jahren ein neuer Trend, was regressive Israelkritik angeht, finden. Sie nennen es „Pinkwashing“. Das hat wenig mit Batik, sondern mehr mit Bashing zu tun. Pinkwashing sei vielmehr eine ausgeklügelte Strategie der israelischen Regierung von ihrer Besatzungspolitik abzulenken. Das schreibt zumindest die Politikwissenschaftlerin Sarah Schulmann in der NYT. Israel gilt in der ganzen Welt als homofreundliches Land und als einziges in der Region, in dem Lesben, Schwule, Queers und Transmenschen sicher leben können. Insbesondere Tel Aviv gilt als Mekka für schwul-lesbische Israelis und Tourist_innen aus der ganzen Welt. Mehr noch: Israel ist auch ein Refugium für verfolgte homosexuelle Palästinenser_innen.
Die progressiven Rechte sind das Ergebnis eines jahrelangen Kampfes der dortigen Aktivist_innen. Sogar die IDF ist inzwischen auf eine gay-friendly Politik umgeschwenkt. So wirbt sie offen mit einem händchenhaltenden schwulen Soldatenpaar. Pinkwashingaktivist_innen sehen dahinter allerdings keine Lebenserleichterung für die Betroffenen von Homophobie und auch keine Standortpolitik. Sie meinen stattdessen dahinter eine perfide Verschleierungstaktik zu erkennen: Israel versuche damit von Menschenrechtsverletzungen in den palästinensischen Autonomiegebieten abzulenken. Sie gehen so weit, die Gleichstellung als Ausdruck von westlichem Kulturimperialismus einzuordnen. Israel stelle sich selbst als liberal, modern und westlich dar, um zugleich die Palästinenser_innen als rückständig, barbarisch und antizivilisatorisch abzustempeln.
Die Pinkwasher_innen negieren damit die jahrelangen Kämpfe von Schwulen und Lesben gegen Diskriminierung. Vielmehr wittern sie eine Verschwörung des jüdischen Staates. Eigentlich habe der Staat kein Interesse an gayrights, sei sogar homophob und nutze demzufolge Schwule und Lesben nur für seine PR. Die Annahme einer staatlich gesteuerten Verschwörung zur Ablenkung von eigentlichen Interessen ist nichts weiter als die Dämonisierung und Delegitimation des Staates Israel. Hier überschreitet die scheinbar emanzipatorische Kritik die Grenze zum antisemitischen Ressentiment. Auch die Berliner Linke ist auf den Pinkwashingzug aufgesprungen und holt jedes Jahr pünktlich zum TCSD diese Argumentation aus der nur leicht aufpolierten antiimperialistischen Diskussionsmottenkiste. So fanden auch dieses Jahr wieder Veranstaltungen in diesem Kontext statt. Eine vernünftige Linke sollte die Lebenserleichterungen für Homosexuelle auch als solche anerkennen und sich doch fragen, ob eine Solidarisierung mit Organisationen wie Hamas und Hisbollah, die Homosexualität mit dem Tod bestrafen, wirklich so progressiv ist, wie Judith Butler es unlängst verlauten ließ.
Natürlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass Israel nicht das dreamland for gays ist, sondern es zahlreiche Auseinandersetzungen um die Rechte von LGBTIs gibt. Auch sind Schwule und Lesben nicht per se lupenreine Antirassist_innen. Dennoch ist und bleibt der Pinkwashingvorwurf ein Todschlagargument, das jede Kritik an Homophobie als rassistisch und kulturimperialistisch brandmarkt. Deshalb schließen wir mit der Faust nach oben und auf den Lippen ein lautes „Pro homo!“