Redebeitrag der Autonomen Neuköllner Antifa zur Situation verfolgter Personen im Iran und der Situation Geflüchteter in Deutschland:
Wer den Al Quds-Tag feiert, feiert nicht nur den ‚Traum der Vernichtung Israels‘ sondern auch Diktatur, Unterdrückung von Minderheiten, das Frönen anti-westlicher Einstellungen und offizielle Holocaustleugnung. Staatsterror, Repression und Folterung stehen auf der Tagesordnung, so fliehen jährlich tausende Menschen aus dem Iran.
Die iranische Rechtsprechung fußt auf der Scharia. In dieser ist Homosexualität gleichzusetzen mit der Abwendung vom Glauben, was mit dem Tod bestraft wird. Seit 1979 wurden im Iran mindestens 4.000 Menschen wegen homosexueller Handlungen hingerichtet. Die Grundlage für diese Verfolgung bildet eine umfangreiche homophobe, islamistische Gesetzgebung. Nach dieser wird der sexueller Kontakt zweier Männer mit 100 Peitschenhieben bestraft. Das vierte Vergehen hat das Todesurteil zur Folge. Dasselbe gilt für Frauen. Da Mädchen schon ab knapp 9 Jahren und Jungs ab 15 Jahren als erwachsen gelten, sind auch sie von diesen Regelungen betroffen. Die Strafen gelten als notwendige Abwehr von allem vermeintlich Gemeinschaftsschädigendem. Die unterstellte Zügellosigkeit führe zum Verrat am Glauben, so dass Homosexuelle als verkommene Menschen wahrgenommen werden, die der Errichtung der göttlichen Ordnung im Wege seien.
Religiöse Stigmatisierung, Unterdrückung und Verfolgung trifft alle Nicht-Muslime. Jüdinnen und Juden sind zwar als religiöse Minderheit anerkannt, haben einen Sitz von 290 im iranischen Parlament und sind formell durch die Verfassung geschützt. Trotzdem ist die Größe der jüdischen Gemeinde seit der islamistischen Machtübernahme auf ein Viertel des Stands von 1979 geschrumpft. Sie sind Anfeindungen durch die Bevölkerung und staatlicher Repression ausgesetzt – spätestens wenn der Verdacht besteht, für Israel zu spionieren. Dann droht jahrelange Haftstrafe. In der Mullah-Ideologie vermischt sich ein eliminatorischer Antizionismus mit antijüdischen und antisemitischen Ressentiments. Zusätzlich werden öffentlich antisemitische Verschwörungsphantastereien und diverse Spielarten der Holocaustleugnung diskutiert und verteidigt.
Eine weitere von Diskriminierung und Unterdrückung betroffene Gruppe stellt die religiöse Minderheit der Bahai dar. Vor allem im islamischen Raum ist ein Pamphlet voller Lügen über die Bahai verbreitet. Die staatlich angeordnete Verfolgung der Bahai durch den Iran ist vor allem auf religiöse Differenzen zurückzuführen. Den Bahai wird zudem unterstellt „internationale Zionisten“ zu sein, die Interesse daran hätten, den Islam zu unterwandern und zu zerstören. Willkürliche Inhaftierungen, Folter und Beschlagnahmungen sind nur ein Teil der Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber den Bahai. Im Oktober 2005 hat Khamenei verschiedene Organe des Staats angewiesen, alle, die der Bahai-Religion angehören, „zu identifizieren, zu registrieren und dauerhaft zu überwachen.“
Eine weitere tragende Säule des iranischen Regimes ist die geschlechts-spezifische Unterdrückung. Diese ist im Gottesstaat nicht nur gesetzlich forciert. Nicht-islamische Frauen gelten als minderwertige Geschöpfe. Vorwürfe des Ehebruchs, unter welchen auch Vergewaltigungen zählt, werden nicht nur staatlich sanktioniert, sondern führen häufig auch zu Ehrenmorden, Haftstrafen und/oder psychischer und physischen Misshandlungen. Versuche sich gegen aus Erniedrigung geprägten Ehen scheiden zu lassen, scheitern regelmäßig, da es keine gesetzlichen Handlungsmöglichkeiten für Frauen gibt. Viele junge Mädchen und Frauen, die wegen Verstößen gegen die Kleidungsordnung oder Geschlechtertrennung an ihren Arbeitsplätzen, auf der Straße oder auf öffentlichen Plätzen mit staatlicher Repression konfrontiert wurden, emigrieren nach den erfahrenen Misshandlungen. Seit Jahren gibt es immer wieder frauenspezifischen Protest gegen das Regime, welcher meist blutig niedergeschlagen wird. Auch existieren immer wieder studentische Protestbewegungen oder massenhaften Widerstand wie im Jahr 2009. Dessen Folge ist nicht der Sturz der Regierung, sondern Massenverhaftungen und Ermordungen Oppositioneller. Anders als in Ägypten oder Tunesien sind die Armee und die Polizei treue Unterstützer des Regimes.
Häufig gibt es für alle von Verfolgung und Unterdrückung betroffenen Gruppen keine andere Möglichkeit als die Flucht aus dem Iran. Allein bis Juni 2013 gingen 2.300 Bewerbungen auf Asyl in Deutschland ein, obwohl die Flucht erhebliche Gefahren birgt. Sie sind dabei auf häufig dubiose Schlepperbanden angewiesen. Für viele iranische Flüchtlinge ist die Türkei erste Station ihrer Flucht, wo sie ohne Einkommen, finanzielle Unterstützung und medizinische Versorgung teilweise monatelang ausharren müssen. Um ihre europäischen Zielländer zu erreichen, müssen sie nun die nicht zuletzt auf deutsche Initiative und mit Hilfe deutscher Experten militärische gesicherte EUAußengrenze überwinden. Todesfälle sind bei diesem Unterfangen regelmäßige, traurige Realität.
Haben sie es trotz alledem nach Deutschland geschafft, sind sie hier einem menschenunwürdigen Flüchtlingsregime unterworfen. Vielfach werden Flüchtlinge in abgelegenen und baufälligen Lagern isoliert, ihre Bewegungsfreiheit ist drastisch eingeschränkt und sie dürfen keine Arbeit annehmen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Besonders drastisch fällt die Gängelung in Bayern aus, wo Flüchtlinge den zugewiesenen Regierungsbezirk nicht verlassen dürfen und statt Bargeld Gutscheine erhalten, mit denen sie nur bestimmte Waren des täglichen Bedarfs erwerben können. All diese Maßnahmen dienen laut Bayerischer Asyldurchführungsverordnung dazu „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland“ zu fördern. Flüchtlingen aus dem Iran droht für diesen Fall die Todesstrafe.
Am 28.Januar 2012 erhängte sich der 29-jährige Iraner Mohammad Rahsepar im Zimmer seiner Unterkunft in Würzburg. Zunächst zehn ebenfalls aus dem Iran stammende Flüchtlinge errichteten daraufhin ein Protestzelt auf dem Marktplatz der bayerischen Stadt und traten immer wieder in den Hungerstreik. Ihr Protest richtet sich gegen die untragbare Unterbringungssituation und rassistische Sondergesetze für Asylsuchende und fordert ihre Anerkennung als politisch Verfolgte. “Diese Ungewissheit und dass uns keinerlei Selbstständigkeit im Alltag gewährt wird, wir außerdem wie Gefangene gehalten werden, zermürbt uns und treibt uns Schritt für Schritt in den Tod“, schreiben sie in einer Mitteilung an die Presse. Schnell breitet sich ihr Protest in andere Städte aus.
Flüchtlinge und Untersützer_innen starten einen Marsch nach Berlin, dass sie nach 28 Tagen und 600 Km Fußmarsch im Oktober erreichen. Es entsteht ein zentrales Refugeecamp auf dem Kreuzberger Oranienplatz, eine weitere Gruppe tritt trotz Winterkälte auf dem Pariser Platz in Mitte zeitweise in den Hungerstreik. Schließlich wird eine leerstehende Kreuzberger Schule besetzt und ein Soziales Zentrum eingerichtet. Trotz Polizeischikanen und Bedrohungen durch Neonazis dauert der Kampf der Flüchtlinge für ein menschenwürdiges Leben seit anderthalb Jahren an. Auch den Kampf gegen die politischen Verhältnisse im Iran führen die Geflüchtet im erzwungenen Exil weiter. So stürmten Aktivist_innen im vergangenen November das Gelände der iranischen Botschaft, rissen die Fahne vom Fahnenmast und bewarfen das Gebäude mit grüner Farbe.
Der Kampf gegen das Mullah-Regime darf sich nicht in Ideologiekritik am Islamismus und geopolitische Planspielereien erschöpfen, sondern muss die Solidarität mit den iranischen Flüchtlingen und damit den Kampf gegen das rassistische deutsche Abschiebe-Regime einschließen.
Nieder mit den islamistischen Regimes!
Solidarität mit den Protesten der Geflüchteten!
Deutsche Abschiebemaschinerie sabotieren!
Für ein selbstbestimmtes Leben!